Die Prinzessin gegen eine fremde Diplomatin! In der Hauptstadt breitete sich ein gespanntes Fieber aus, der Kampf wurde eifrig diskutiert, Wetten wurden abgeschlossen. Wer beide Kontrahentinnen nicht kannte, nahm meist eine neutrale Position ein, doch Tijana kannte zahlreiche Menschen, die Dalvina die Daumen drückten. Alexa, weitgehend als „Star“ anerkannt, hatte sich zugleich viele Sympathien verscherzt.
Die Prinzessin war größer und kräftiger als ihre Gegnerin, Dalvina, eine gute Kämpferin, dagegen wendig und einfallsreich. Tijana hatte Alexas Art zu kämpfen wiederholt gesehen und beriet ihre Freundin. Auch besorgte sie einige männliche Kampfexperten, die das Training koordinierten. Es war zudem nicht schwierig, Alexas Sklavinnen zur Spionage anzuleiten, denn auch sie wünschten sich die Niederlage ihrer Herrin.
So erfuhr Tijana den besonderen „Coup“ ihrer Schwester. Erstmals wollte Alexa im Kampf oben ohne auftreten und ihren wohlgeformten Oberkörper präsentieren, ein ungeheurer Affront gegen die Götter und ihre Priesterschaft. Sie wollte sich – was auch nicht üblich wahr – von einer der Kosmetik kundigen Sklavin mit einem Öl einreiben lassen, das einerseits die Griffe der Gegnerin abrutschen ließe, andererseits dem eigenen Körper einen golden leuchtenden Glanz verleihe. Die junge Frau verstand es, das Öl heimlich so zu präparieren, dass der erste Effekt weitgehend unwirksam blieb.
Am entscheidenden Tag betraten Alexa und Dalvina die prall gefüllte Halle und verneigten sich zunächst vor den Götterfiguren, die Prinzessin mit bloßem Oberkörper, was ein hörbares Raunen unter den Zuschauern auslöste. Sie löste auch sehr schnell ihre Verbeugung auf und zeigte dem Publikum ihren Körper, harmonisch gebaut, nichts zu groß, nichts zu klein, und dennoch mit sorgfältig antrainierten Muskeln. Als auch Dalvina sich wieder erhoben hatte, konnte der Kampf beginnen.
Tijana konnte die Taktik der Kontrahentinnen gut erkennen. Während die Prinzessin darauf aus war, sich auf Dalvina zu stürzen und sie niederzuringen, blieb diese flink in Bewegung und vermied es, sich der Stärkeren zu stellen. Entweder war sie schnell wieder in einer anderen Ecke des Kampfplatzes oder sie tauchte unter Alexas Körper durch, sodass sich die Prinzessin – ohne einen Vorteil zu erlangen – zusätzlich schmutzig machte und die Wirkung des Öls weiter nachließ. Für einen unkundigen Zuschauer sah alles danach aus, dass Dalvina voller Angst zu fliehen versuchte, was man von früheren Gegnerinnen der Prinzessin ja schon kannte. Erstaunlich war, dass auch Alexa auf diese Taktik hereinfiel, wahrscheinlich weil sie von ihrer eigenen Überlegenheit überzeugt war. Sie merkte nicht, dass sie ihre fruchtlosen Versuche, die Gegnerin zu stellen, außer Atem brachte, während die Diplomatin zuvor ihre Ausdauer ebenso konsequent wie ihre Schnellkraft trainiert hatte.
Schließlich stand Dalvina überraschend hinter Alexas Rücken, die sich nicht schnell genug umgedreht hatte, und legte ihre Arme in einem Triangle Hold fest um ihren Hals. Alexas Versuche, sie abzuschütteln, blieben vergeblich, wie ein Schraubstock schnürten sie ihr den Atem zu. Die staunenden Zuschauer sahen, wie die Prinzessin nach Luft japste, dann mehr und mehr röchelte, in die Knie ging, das verzweifelte und verzerrte Gesicht immer ausdrucksloser wurde, bis sie wie ein nasser Sack zu Boden glitt. Dalvina wurde zur Siegerin ausgerufen und von den Zuschauern frenetisch bejubelt.
Als Alexa wieder zu sich kam und aufstehen wollte, drückte Dalvina sie mit ihrem Fuß zu Boden. „Friss Dreck, Alexa!“, rief jemand im Publikum, und im Chor ertönte: „Friss Dreck! Friss Dreck!“ Die Siegerin verstand und trat nun das Gesicht der Unterlegenen in den staubigen Boden des Kampfplatzes.
Schließlich wurde Alexa zu einem hölzernen Stock geführt und musste ihren Kopf durch das Ringloch stecken. Dieses „Aufbewahrungsinstrument“ unterschied sich von einem Pranger darin, dass nur der Hals festgehalten wurde. Ihre Arme konnte die Verliererin zwar bewegen, hatte aber keine Chance, das schwere Holzteil zu öffnen. Als Zuschauer sah man nicht ihr Gesicht, sondern den tief gebeugten Rücken der Besiegten, auch äußerlich ein Bild ihrer Niederlage.
Nun musste sie warten, denn das Ergebnis des Kampfes wird immer erst rechtskräftig, wenn die Königliche Verlautbarung öffentlich verkündet wurde. Daher ziehen sich nach dem Kampf der König, der oberste Priester, die Siegerin und zwei Schreiber zurück, um die Dokumente zu verfassen: die Verlautbarung und die Besitzurkunde über die Sklavin. Dieses Warten, das sich hinziehen kann, wird meist als langweilig empfunden, sodass sich die Halle nach dem Kampf schnell leert. Diesmal aber harrten die Zuschauer aus, und die Spannung nahm mit jedem Moment zu. Wird die Prinzessin bestraft, wie sie es verdient, oder versucht der König doch, das Los seiner Tochter zu erleichtern? Doch er würde wohl kaum die Möglichkeit haben, den Forderungen der Priesterschaft zu widersprechen.
Für Alexa musste in ihrer unbequemen, hoffnungslosen Haltung das Warten unerträglich gewesen sein. Ihr Rücken spannte sich immer wieder an, die Hände suchten Halt, aber das drückende Holz gab keinen Millimeter nach. „Es gibt noch eine Gerechtigkeit“, sagte eine Sklavin befriedigt. Auch Tijana fühlte sich gedrängt, die besiegte Schwester zu verspotten. Endlich hatte es sie erwischt, bald wird sie keinen Ärger mehr bereiten. Sicher hätten einige Zuschauer die Gefangene gerne geschlagen, aber bevor die Königliche Verlautbarung veröffentlicht wurde, war Alexa noch Prinzessin. Noch durfte man ihr nichts tun.
Nach einer endlosen Zeit des Wartens waren die Dokumente fertig. Der König kam nicht mehr in die Halle, er wollte wohl das Elend seiner Tochter nicht mit ansehen. Damit stand aber fest, dass Alexa ihre harte Strafe erhalten werde. Alle knieten sich jetzt hin, nur Alexa blieb, gedemütigt mit gebeugtem Rücken, stehen, um sich das Urteil anzuhören.
Einer der Schreiber verkündete laut:
Hört die königliche Verlautbarung:
Dalvina hat den Kampf gewagt, um Unschuldige zu befreien und ihnen Genugtuung zu verschaffen. Die Götter haben ihr den Sieg geschenkt und segnen ihren Lebensweg.
Alexa, bisher Prinzessin, wurde besiegt und damit für ihre Überheblichkeit, Rücksichtslosigkeit und Missachtung göttlicher Gerechtigkeit bestraft. Ihr Recht auf Freiheit und persönliche Würde hat sie verwirkt. Sie wird aus der königlichen Familie, der sie Schande gebracht hat, ausgestoßen und in den Sklavenstand versetzt. Mit allem, was ihr gehört, geht sie in den Besitz der Siegerin über, die völlige Freiheit hat, über sie zu bestimmen.
Auf Dalvinas ausdrücklichen Wunsch werden Alexas bisherige Sklavinnen in die Freiheit entlassen und für das erlittene Unrecht entschädigt. Alexa aber soll erleiden, was sie anderen angetan hat. Eine künftige Befreiung aus dem Sklavenstand bleibt für sie ausgeschlossen.
Alexa hat den rituellen Ringkampf missbraucht, sich selber in eitler Weise in den Mittelpunkt gerückt und unangemessen entkleidet. Sie hat keine Ehrfurcht vor den Göttern gezeigt. Zur Strafe erhält sie im Anschluss an diese Verlautbarung 20 Ohrfeigen. Diese Strafe soll jeden Tag vor den Augen der Dienerschaft des Hauswesens wiederholt werden.
Ende der königlichen Verlautbarung. Sie ist unumstößliches Gesetz.
Das war wirklich die Höchststrafe. Bis zum Lebensende wird Alexa harte Sklavenarbeit verrichten müssen, verachtet von den anderen Bediensteten, die ihr die schmutzigsten Dienste zuweisen werden. Und sollte sie nicht gehorchen und hart arbeiten – das hatte Dalvina schon angekündigt – werde sie an das nächste Bordell verkauft, da würde sie schlechter behandelt.
Nach dem langen Warten ging es nun recht schnell. Alexa wurde aus dem Stock befreit, aber sofort wieder angebunden, und ein besonders kräftiger Priester gab ihr die geforderten Ohrfeigen, jede einzelne mit voller Kraft. Die Zuschauer zählten mit und applaudierten den Schlägen.
Die Sklavin bekam ein Klappbrett um Hals und Handgelenke gelegt, von der Form einem Joch ähnlich, das wiederum mit einem Strick am Sattel eines Pferdes angebunden wurde. Sie trug jetzt einen Sklavenkittel, ihre kostbare Hose hatte sie ausziehen müssen. Während Dalvina in ihr Heimatland zurückritt, musste Alexa ihr – am Strick gezogen – hinterherlaufen. Ihre ersten Schritte waren noch schwankend, dann passte sie sich dem eilenden Schritt des Pferdes an. Es blieb ihr nichts anderes übrig als zu folgen. Tijana sah in das erstaunte Gesicht ihrer ehemaligen Schwester, die wohl immer noch nicht verstehen konnte, was da mit ihr geschehen war. Fast konnte man Mitleid mit ihr haben, doch zugleich war Tijana froh, sie endlich los zu sein. Die Menschen hatten vor der Halle eine lange Gasse gebildet, und einige schlugen die Sklavin wie beim Spießrutenlauf und spuckten sie an. Für andere war der tiefe Fall der Prinzessin einfach nur eine große Show, während Alexa selber nun einer leidvollen Zukunft entgegenstolperte.
