Yang Yun legt bei ihrem Hanteltraining eine Pause ein. Gegenüber ihrem Trainer macht sie ihrem Ärger über die Maßnahmen des Managers Luft. Ihr Leben sei schon Fake, und jetzt ist das Boxen auch noch Fake. Weder finde sie so die Herausforderung, die sie sich wünscht, noch würden ihre Fähigkeiten wirklich gewürdigt.
Der Trainer fragt sie, wie sie eigentlich zum Boxen gekommen sei. Das habe er schon länger wissen wollen.
„Da war ein Mädchen“, antwortete sie, denn sie schämte sich, ich zu sagen, „das hatte eine enge Freundin. Sie gingen in dieselbe Klasse, hatten die gleiche Frisur, die gleiche Kleidung, die gleiche Tasche und fühlten sich wie Zwillinge. Durch ein Versehen beleidigte das Mädchen eine einflussreiche Mitschülerin. Diese verwechselte die beiden und demütigte mit anderen Schülerinnen die Freundin auf dem Schulhof. Die Augen der Schikanierten flehten um Hilfe, doch das Mädchen hatte zu viel Angst und ging einfach vorüber. Am nächsten Tag war ihre Freundin von der Schule abgemeldet. Das Mädchen hat sie nicht mehr gesehen und hatte noch nicht einmal Gelegenheit, sich zu entschuldigen. Seit diesem Tag bedauert sie ihr klägliches Versagen.“ Yang Yun wechselt nun in die erste Person: „So bin ich nicht, oder besser: So will ich nicht sein! Deshalb habe ich angefangen zu boxen. Nur beim Boxen gelingt es mir, die Scham über mein feiges Verhalten für einen Augenblick zu vergessen.“
Ihr Trainer weist sie auf das Beispiel des berühmten Football-Spielers Tom Brady hin. Als junger Mann habe er große Schwierigkeiten gehabt, sich durchzusetzen, und sei sogar belächelt worden. Später sei er dann der beste Quaterback der Liga geworden. Sein Grundsatz sei gewesen, immer nach vorne, nie zurück zu schauen, alles, was man bedauern könnte, hinter sich zu lassen und sich ständig zu verbessern.
Auf seinem Smartphone zeigt er ihr ein Foto. Er habe die Qualifikationskämpfe verfolgt. Da sei eine Boxerin, ein „Rohdiamant“, der sich noch weiter entwickeln werde, geeignet, alle Pläne des Managers und der Organisatoren auf den Kopf zu stellen. Wenn sie auf diese Gegnerin treffe, werde sie die Herausforderung bekommen, die sie sich wünsche.
Yang Yun erkennt auf dem Foto die Bedienung in dem Innenstadtcafé.
Die Schwellung im Gesicht ist noch zu sehen, sonst ist alles in Ordnung. Xiao Ai wurde aus dem Krankenhaus entlassen und isst mit ihrem Vater auf der Dachterrasse ihres Studios zu Abend. Es wird Zeit, dass sie sich richtig aussprechen.
Nachdem der Boxkampf der Tochter bekannt geworden war, ist Herr Zhao zur Schulleiterin gerufen worden. Nur mit Mühe konnte er verhindern, dass Xiao Ai die Schule verlassen muss. Nun will er ihr ins Gewissen reden, bricht aber bald ab, weil er nicht die richtigen Worte findet. Sie solle darauf achten, was sie tue, sie sei kein Kind mehr, ist die einzige Ermahnung.
Seine Tochter mahnt ihn erneut an das Versprechen, das er seiner Frau am Sterbebett gegeben hat. Er versucht, sich zu rechtfertigen. Viele Jahre lang habe er beim Boxen seine Fähigkeiten gekannt und gewusst, wie er handeln müsse. Als seine Frau so krank geworden sei, habe er damit nicht umgehen können. So habe er ihr das Versprechen nicht verweigert. Doch der Verzicht auf das Boxen habe ihn aus der Bahn geworfen, und ein Leben ohne dieses Heim und das Studio sei für ihn unmöglich. In der Monster-Bar zu boxen, bringe wenigstens etwas Geld ein.
Xiao Ai erinnert an seine Herzerkrankung. Sie wolle nicht auch noch ohne Vater leben. Die Prämie von 700000 € sei viel mehr, als er in der Bar verdienen könne. Diese Prämie könne aber nur eine Frau gewinnen. Warum trainiere er sie nicht, vielleicht schaffe sie es ja.
Am nächsten Tag steigt er mit ihr in den Ring, lässt sie schlagen, weicht ihren Schlägen aus. Er belehrt sie über die richtige Distanz, die ihre Schläge erst zur Wirkung bringt. Sie habe kräftige Arme, ein Pfund, mit dem sie wuchern könne. Sie müsse aber auch lernen, sich zu verteidigen, auszuweichen und Schläge abzublocken. Dann könne sie den rechten Augenblick finden, um anzugreifen.
Bis zum Turnier haben sie noch einen Monat Zeit.
Xiao Ai läuft immer wieder die hügelige Straße hoch, ihrem Vater davon, während dieser ihr mit dem Fahrrad hinterherjapst. Sie übt auf am Strand eingezeichneten Markierungen die schnelle Fußarbeit. Sie trainiert Schnell- und Schlagkraft. An den Ringseilen übt sie das Ausweichen. Ihre Versuche zum Bauch-Crunch bleiben eher dilettantisch. Am Sandsack trainiert sie ihren Schlag, aber auch die richtige Distanz.
Yang Yun läuft am Strand und lässt sich den Seewind durch die Haare streichen. Mit kleinen, flinken Schritten läuft sie immer wieder eine Treppe hoch und runter. Voller Energie übt sie ihre Schlagtechnik. Im Studio trainiert sie mit Sandsack und Punchingball und übt zwischen den Geräten das Ausweichen. Der Crunch ist bei ihr fließend und kräftig.
Am Achtelfinale, der Runde der letzten Sechzehn, nehmen aufgrund des Freiloses zwölf Kämpferinnen teil. Doch für Xiao Ai gilt es zunächst, eine Gegnerin zu schlagen. Diese ist ein paar Jahre älter, macht einen eher nervösen Eindruck. Xiao Ai dagegen tritt selbstbewusster auf, zunehmend entwickelt sie ein Gefühl dafür, was sie kann und was nicht, ist orientiert an dem, was sie gelernt hat und dominiert den Fight. Abblocken der gegnerischen Schläge, plötzlicher Konter, richtige Distanz, Schlag. Ihre Gegnerin kracht zu Boden, Xiao Ai steht im Viertelfinale.
In den sozialen Medien wird über ihre Killer-Rechte diskutiert.
Yang Yun läuft die Stadtmauer entlang, kombiniert ihren Lauf mit Knieheben, Sprüngen und Schlagkombinationen. Ausdauernd praktiziert sie Seilspringen. Sie ist topfit, brennt auf ihren ersten Einsatz, muss aber noch warten.
Xiao Ai übt mit dem Vater im Ring Schlagkombinationen, vermag, ihn mit ihren Schlägen zu überraschen. Im schnellen Rhythmus springt sie mit wechselndem Fuß an einem Autoreifen empor. Sie übt Sprünge mit dem Seil und mit Stoßbewegungen der Arme. Auch wenn der Vater erschöpft ist, trainiert sie immer weiter.
Ihre Gegnerin im Viertelfinale sieht auf den „Nobody“ herab, kann mit ihrem Tempo aber nicht mithalten. Auch sie landet im Ringstaub, wird ausgezählt. Diesmal war es die Linke. Herr Zhao hebt seine Tochter voll Freude in die Höhe, das Halbfinale ist erreicht.
Ihre Gegnerin im Halbfinale ist größer und bulliger, doch Yang Yun fühlt sich top vorbereitet. Nach dem ersten Abtasten gelingen ihr die klareren Treffer. Bei einem Gerangel beißt ihr die Kontrahentin ins Ohr. Yang Yun verspürt einen stechenden Schmerz, wie aus einem Reflex heraus schlägt sie hart zu. Bevor der Ringrichter überhaupt die Zeit findet, die Übeltäterin zu disqualifizieren, liegt sie schon am Boden und wird ausgezählt. Der Schlagerstar steht im Finale.
Nach dem Kampf wirft sie ihrem Manager vor, auch diese Aktion manipuliert zu haben. Grinsend dementiert er den Vorwurf. Er würde seinem Star doch keinen Schaden zufügen.
Während die vorigen Runden nur im Fernsehen übertragen wurden, finden die Begegnungen ab dem Halbfinale vor Publikum statt. Entsprechend nervös ist Xiao Ai, die solch eine Atmosphäre noch nicht erlebt hat.
Ihre Gegnerin, die dunkelhäutige Katia, zeigt sich mit einem durchtrainierten, wendigen Körper. Während sie angreift, gelingt es Xiao Ai geschickt, auszuweichen und Schläge abzublocken. Geduldig wartet sie auf ihre Chance. Als schließlich erneut einer von Katias Schlägen das Ziel verfehlt, kontert sie mit einem kräftigen Leberhaken. Katia windet sich vor Schmerzen und geht zu Boden. Bei „acht“ steht sie wieder.
Kurz darauf erhält Herr Zhao einen Anruf. Eilig verlässt er die Arena. Seine Tochter, verblüfft und kurzzeitig abgelenkt, erhält einen Schlag und geht in die Knie, steht aber sofort wieder. Der Ringrichter, der die Situation mitbekommen hat, zählt sie nicht an. Trotz ihrer Verwirrung bemüht sie sich, konzentriert weiter zu kämpfen, muss aber einige Schläge einstecken.
Onkel Ma, der jetzt die Betreuung übernommen hat, weiß auch nicht, was passiert ist. In der Pause ermahnt er sie, sich nicht ablenken zu lassen und an ihren Kampfstil vom Beginn der Begegnung anzuknüpfen. Alles andere werde sich schon herausstellen.
Xiao Ai, die sich wieder gefangen hat, kämpft aus der Verteidigung heraus mit schnellen Kontern. Mit einer Kombination von Körper- und Kopftreffer schickt sie die Gegnerin schließlich auf die Bretter. Auch wenn sie wegen des Vaters besorgt ist, reißt sie jubelnd die Arme hoch: Sie steht im Finale – gegen die „Schlagergöttin“ Yang Yun.
Erst zu Hause erfährt sie, was geschehen ist. Ohne dass sie es davon mitbekam, hatte es in den letzten Wochen mehrere Auseinandersetzungen – auch körperlicher Art – zwischen ihrem Vater und dem jungen Mann, der das Geld haben will, gegeben. Nun setzte der mit einigen Schlägern zwei Boxschüler des Studios gefangen, um Herrn Zhao zur Aufgabe zu zwingen. Dieser stellte sich der Herausforderung, brach aber plötzlich in sich zusammen und wurde mit Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Er ist noch nicht wieder bei Bewusstsein.
Xiao Ai räumt das verwüstete Zimmer auf und klebt eine zerbrochene Reisschale wieder zusammen, die einst von ihrer Mutter benutzt wurde. Yang Yuns Manager kommt zur Tür herein und macht ihr ein Angebot. Das Boxen sei sowieso nichts für Frauen, was man an den Blutergüssen in ihrem Gesicht sehen könne. Er biete ihr einen gut bezahlten Job in der Unterhaltungsbranche an, wenn sie bereit sei, gegen Yang Yun zu verlieren. Die Prämie für einen Sieg werde sowieso durch die Steuer erheblich reduziert, unter dem Strich verdiene sie im Unterhaltungsbereich mehr. Auch wenn er wahrscheinlich manipulativ falsch gerechnet hat, muss sich Xiao Ai eines eingestehen: An die Steuer hatte sie gar nicht gedacht. Die Prämie würde also nicht reichen, um die Schulden zu bezahlen. Doch längst geht es ihr nicht um das Geld allein, sie hat Blut geleckt. Dem Manager zeigt sie die kalte Schulter.
Als Herr Zhao wieder bei Bewusstsein ist, eilt seine Tochter zum Krankenhaus. Die Ärzte hätten ihm gesagt, er sei nur sehr knapp dem Tod von der Schippe gesprungen. Ihm sei klar geworden: Das Wichtigste in seinem Leben sei nicht das Studio, es sei sie, seine Tochter, für die er noch da sein möchte. Wenn es also unbedingt nötig sei, sei er bereit, das Anwesen zu verkaufen. Xiao Ai verspricht ihm aber, sie werde alles dafür tun, dass sie ihr Heim behalten könnten. Ihr Vater bedauert, dass er sie im Finale nicht betreuen könne. Er gibt ihr auf den Weg: „Was immer du tust, tu es mutig!“