Schon eine ganze Weile hatte Kristen den Verdacht gehabt, ihr Mann ginge fremd. Sie legte sich auf die Lauer, und tatsächlich ertappte sie ihn mit Tonya auf frischer Tat. Er reagierte verlegen, die Übeltäterin dagegen frech und unverschämt. Beide Frauen warfen sich wüste Beschimpfungen an den Kopf.
Tonya war Abenteurerin, suchte immer die Herausforderung und war nie bereit, Regeln zu akzeptieren. Sie nahm sich, was sie wollte, und ließ sich nicht zwingen, es wieder aus der Hand zu geben. Manche fühlten sich davon angezogen, die meisten stieß es ab. Aber auch Kristen ließ sich nicht die Butter vom Brot nehmen. So vereinbarten beide Frauen einen ungewöhnlichen Zweikampf, der ihren Anspruch auf Adam, Kristens Mann, entscheiden, die Gegnerin aber vernichten sollte.
In fiebriger Spannung wartete der Ort auf den vereinbarten Tag und wünschte sich, je nach Sympathie, den richtigen Ausgang – das heißt, eigentlich war man sich einig, zumindest wir Frauen. Trotzdem standen die Gegnerinnen am entscheidenden Tag allein. Man wusste ja nie, wie es ausgehen würde.
Kristen und Tonya waren mit ihren Pferden gekommen und ritten in entgegengesetzte Richtungen aus dem Städtchen hinaus. Nach einem Bogen würden sie sich auf dem freien Feld vor einem großen Wegekreuz treffen und ihre Sache ausfechten. Gott solle das Urteil fällen, wer über die andere triumphieren dürfe, das war die Vorstellung.
Was dann geschah, habe ich selber nicht gesehen, es wurde mir aber von Augenzeugen berichtet. Es waren nämlich Posten abgestellt worden, die den ordnungsgemäßen Ablauf dieses Duells kontrollierten. Feuer-, Hieb- und Stichwaffen waren nicht zugelassen. Die Frauen schlugen mit langen Peitschen aufeinander ein. Diese hatte man früher dazu benutzt, Sklaven zu bestrafen. Längst gab es keine Sklaven mehr, aber die Peitschen standen zur Verfügung.
Zu Beginn des Kampfes schien Tonya im Vorteil zu sein. Aggressiv ritt sie immer wieder gegen Kristen an und versuchte, sie in die Defensive zu drängen. Ihre Peitsche richtete sie auf das Pferd, damit die Gegnerin das Tier nicht mehr kontrollieren könnte. Doch Kristen riss ihren Hengst immer wieder im letzten Moment herum und ersparte ihm, von den sich wie Feuer ins Fleisch schneidenden Lederriemen getroffen zu werden.
Beide waren hervorragende Reiterinnen, doch den Umgang mit den Peitschen mussten sie in diesem Duell erst lernen. Da halfen ihnen auch nicht die Trockenübungen, die sie an den Tagen zuvor gemacht hatten. Während Tonya in ihrer Aggressivität häufig, aber überhastet zuschlug, näherte sich Kristens Peitsche ihrem Ziel immer mehr an. Schließlich klatschte sie voll in Tonyas Gesicht. Diese konnte sich auf ihrem Pferd halten, war aber benommen und vom rinnenden Blut geblendet. Eine schnelle Reaktion war so nicht mehr möglich. Kristen schlug erneut zu und traf diesmal den Hals ihrer Gegnerin. Tonya taumelte, verlor das Gleichgewicht, rutschte vom Rücken ihres Pferdes, fiel schmerzhaft auf den Boden und verlor das Bewusstsein. Sie wurde von Kristen gefesselt und mit einer langen, festen Leine an deren Sattel gebunden.
Wieder zu Bewusstsein gekommen, humpelte Tonya der Siegerin hinterher. Diese aber beschleunigte den Gang ihres Pferdes immer mehr, sodass die Unterlegene nicht mehr mithalten konnte und von Ross und Reiterin geschleift wurde. Ihre Schreckensrufe animierten Kristen nur dazu, das Pferd noch schneller laufen zu lassen.
Schon von weitem sahen wir die Reiterin ankommen und waren erleichtert, dass die Richtige im Sattel saß. Am Marktplatz angekommen, konnten wir nur noch ein blutverschmiertes Bündel an der Leine erkennen. Wer das einmal gewesen ist, wurde höchstens durch einige Fetzen der ehemaligen Kleidung deutlich. Das Bündel – zuckte und stöhnte, es lebte noch. Man warf es in einen leeren Käfig. Die Menschen lagerten sich um ihn herum und sahen zu – bis das Bündel nicht mehr zuckte und stöhnte. Gott hatte sein Urteil gesprochen, und man war damit sehr einverstanden.
Die Überreste wurden außerhalb des Ortes verscharrt. Wir haben dann die Erde so lange festgetreten, dass bald niemand mehr die Stelle erkennen konnte.