„Auf jeden Fall will ich kämpfen! Ich will mich beweisen“, beteuerte sie immer wieder. Ich will bejubelt und gefeiert werden, dachte sie dabei, und natürlich die Prämie einsacken.
Vivian ließ sich „Viv“ anreden. Das war etwas Besonderes, und sie wollte etwas Besonderes sein. Es mochte ja sein, dass ihr sehr helles Gesicht von einigen als ausdruckslos empfunden wurde, doch sie wusste, was sie wollte, und war gewohnt, sich durchzusetzen. Zudem war sie eine ausgezeichnete Sportlerin. Wer sie im Sport-Zweiteiler sah, konnte ihren trainierten, muskulösen Körper bewundern.
Seit zwei Monate war sie jetzt mit Eric zusammen. Er war zwar nicht der Wortführer des einflussreichen Verbindungshauses Beta Gamma Tau, aber er wurde dort als guter Organisator geschätzt. Natürlich hatte er ihr vom geplanten Fight-Event erzählt: zwei Studentinnen vor den Augen der Verbindungsbrüder. Die Siegerin werde eine hohe Prämie und allen Ruhm gewinnen, für die Verliererin bleibe nur die Schande – die durch die sozialen Medien vervielfacht werde. Sofort hatte sich Viv mit der Herausforderung identifiziert. Verlieren durfte sie freilich nicht. - Sie würde auch nicht verlieren!
Doch hatte man lange keine Konkurrentin. Schließlich fand sie sich: Olivia, ein Erstsemester. Ein Jahr jünger als Viv hatte sie erst spät von dem Kampfabend gehört, sich dann aber nach kurzer Überlegung gemeldet. Man sagte, sie sei frech, oft geradezu rotzig. In jedem Fall lasse sie sich nichts gefallen. Das sei die richtige Gegnerin für Viv, dachte man im Verbindungshaus. Es bildeten sich zwei Parteien: Man wettete auf die jeweilige Favoritin.
Viv schnappte das Gerücht auf, Olivias beide Eltern seien schon im Gefängnis gewesen. Sie veröffentlichte diese „Information“ und diffamierte ihre Gegnerin als „kriminelle Schlampe“, die Prügel verdiene. Diese konterte, es bedürfe offensichtlich keiner straffälligen Eltern, um eine Schlampe zu sein. Mit Viv, dieser Bitch, werde sie schon fertig. Die Atmosphäre war vergiftet, die Spannung stieg.
Schließlich stand der hellblonden Viv die grünlich gefärbte Olivia gegenüber, nur wenig kleiner und ebenso muskulös. Verächtlich betrachteten sich die Kontrahentinnen. Viv reagierte auf einen Scheinangriff, lief ins Leere und wurde von der schnell zupackenden Olivia in einen brutal kräftigen Schwitzkasten genommen. Auch Viv war stark, doch mit nach unten gedrücktem und eingezwängtem Kopf konnte sie ihre Kraft nicht mehr voll einsetzen und geriet schnell in Panik. Ihre Versuche, den Griff zu lockern, Olivias Kopf zu erreichen und wegzudrücken, die Gegnerin zu schlagen und ihr Schmerzen zu bereiten, scheiterten jeweils kläglich. Es fehlte ihr auch der Raum zu agieren. Sie versuchte, Olivia aus dem Gleichgewicht zu bringen, doch dieser gelang es, kontrolliert in die Knie zu gehen und kontrolliert wieder aufzustehen. Nichts hatte sich verändert, der Griff hatte sich nicht gelockert. Wie eine Klette war Olivias Arm nicht abzuschütteln, eine Klette freilich, die sich wie eine eiserne Klemme in Vivs Hals drückte. Diese zappelte nur noch, versuchte unkontrolliert und erfolglos, den Druck loszuwerden. Ihr Gesicht glühte vor Anstrengung und Scham. Längst hatte ihr die Gegnerin den Schneid abgekauft. Die Anfeuerungen der Studenten, anfangs geteilt, ertönten nur noch für Olivia. Diese verstärkte jetzt noch den Druck, nahm Viv endgültig die Luft. Die Blonde klopfte ab, gestand ihre Niederlage ein.
Sie musste sich hinknien, die Hände wurden mit Kabelbinder fest und schmerzhaft gefesselt.
„Du hast mich bloßgestellt und beleidigt. Jetzt wirst du die Zeche zahlen!“
Viv, die noch nie geohrfeigt worden war, hatte keine Möglichkeit, den Schlägen auszuweichen. Sie trafen wuchtig und gezielt, klatschten gegen ihr Gesicht, drehten den Kopf schmerzhaft zur Seite, schienen, angefeuert von den Verbindungsstudenten, nicht mehr aufzuhören. Ihr Kopf brummte, das Gesicht brannte von Schlag zu Schlag stärker, als gäbe es keine Stelle mehr, die nicht entzündet und verquollen wäre.
Als sie Vivs Gesicht genug „bearbeitet“ hatte, ließ Olivia von ihr ab.
Wie ein Häufchen Elend kniete Viv in der Ecke, musste zusehen, wie die anderen feierten und sich freuten. Sie selbst wurde verspottet oder gar nicht mehr beachtet.
Eric machte mit ihr, der „Enttäuschung“, Schluss. Er hatte eine hohe Geldsumme durch sie verloren. „Lass dich in Zukunft nicht mehr hier blicken!“
Viv schämte sich für ihren „Auftritt“. Sie hatte verloren, in elender Weise, vor aller Augen. Unter allgemeinem Beifall war sie geohrfeigt worden. Sie fühlte die Verachtung, mit der man sie jetzt behandelte. Verzweifelt versuchte sie, wenigstens ihre Tränen herunterzuschlucken, doch unter dem Gespött der Anwesenden flossen sie schließlich doch.
Olivia, die Siegerin, bekam ihre Prämie, ebenso Anerkennung und Lob der Studenten. Auch in Zukunft würde sie jede Unterstützung erhalten, die sie benötigte.
Und sie, Viv, die Verliererin…?
